Praxisbeispiele und Tipps
Wie Digitalisierung vermitteln?
Jedes Unternehmen braucht eine digitale Gesamtstrategie, um Chancen und Nutzen kommunizieren zu können.
Achten Sie darauf, dass nicht nur ein paar digitale Tools gekauft werden, sondern eine digitale Gesamtstrategie entwickelt wird, mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Fokus. BetriebsrätInnen sollten so früh wie möglich über diese digitale Gesamtstrategie informiert und daran beteiligt werden.
Wenn den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern klar ist, wohin die Reise geht, ist es für sie leichter, mitzuziehen. Kommunizieren Sie Chancen und Nutzen der geplanten Umgestaltung. Was sinnvoll ist, wird auch gut um- und eingesetzt werden. Wenn den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Gründe und das Ziel für die Digitalisierung vermittelt und sie von ihrem Nutzen überzeugt werden, kann Ängsten und Bedenken begegnet und Neugierde geweckt werden. Arbeitgeber und ArbeitnehmerInnen sollen sich immer wieder bewusst sein: Digitalisierung ist kein Sprint und auch kein Marathon, sondern eine laufende Entwicklung, die es immer mitzudenken gilt. Ihre Chancen und Herausforderungen betreffen sowohl jüngere als auch älter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Führungskräfte, während der gesamten Erwerbsphase- vom Berufseinstieg bis zum Ausstieg. Es sollte keine Gruppe geben, bei der es sich „nicht mehr auszahlt“, digital kompetent zu werden.
Bei der Digitalisierung geht es (erstaunlich) wenig um Technologie und (erstaunlich) viel um Menschliches.
Digitalisierung verändert Prozesse, Abläufe und Strukturen. Für die technischen Aspekte haben Unternehmen IT-Spezialistinnen und Spezialisten. Diese müssen aber auch verstehen, was die Anwenderinnen und Anwender brauchen. Nicht die digitalen Tools sollen die neuen Prozesse, Abläufe und Strukturen gestalten, sondern die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen jene Tools identifizieren, durch die Prozesse, Abläufe und Strukturen verbessert werden können. Bei der Entwicklung bzw. Einführung von digitalen Tools sind nicht nur die Kundinnen und Kunden die Zielgruppe, sondern auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Achten Sie auf hohe Benutzerfreundlichkeit und binden Sie das Praxis-Know-how der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ein. Sonst laufen Sie Gefahr, dass digitale Anwendungen nicht oder kaum verwendet werden. Und bedenken Sie dabei, dass es die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind, die die digitalen Anwendungen den Kundinnen und Kunden näherbringen.
Nehmen Sie den Druck weg und legen Sie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die „Rutsche“.
Achten Sie darauf, dass die Führungskräfte die Bedürfnisse, Ressourcen und Möglichkeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter genauso gut verstehen wie die IT-Systeme, die implementiert werden. Führungskräfte aller Unternehmensbereiche sind ein wichtiger Schlüssel, wenn es um die Umsetzung neuer digitaler Prozesse und Anwendungen geht, deshalb sollten sie die Empathie und das Know-how mitbringen, ihre Teams bei der Transformation zu unterstützen. Identifizieren Sie die Early Adopters unter Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und machen Sie diese zu Multiplikatorinnen und Multiplikatoren Ihrer Digitalisierungsstrategie. Was gut funktioniert, wird sich herumsprechen.
Tipp: Wer von einem neuen Tool und dessen Nutzen vollständig überzeugt ist, kann auch seine Anwendung und seinen Nutzen umfassend erklären und dafür begeistern.
Vor der Umschulung kommt oft eine Nachschulung – gegenseitiger Wissenstransfer kann dabei helfen.
Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben zwar bereits mit digitalen Tools und Anwendungen gearbeitet, wurden jedoch lange Zeit nur auf ihre Benutzung eingeschult. Dieses (oft) zu oberflächliche Wissen reicht mittlerweile nicht mehr aus, zu schnell verändern sich die Technologien. Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern brauchen die Möglichkeit, wichtige Grundlagen nachzuholen, um zukünftig schneller neues Wissen zu erlangen und auf die weiteren Veränderungen reagieren zu können. Digitalisierung erhöht die Geschwindigkeit, es sollte zu keiner Überforderung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommen. Wenn es sich anbietet, können die digitalen Profis unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die digitalen Einsteigerinnen und Einsteiger unterstützen. Gegenseitigen Wissenstransfer und Austausch über Anwenderwissen und Kompetenzen zu fördern, zahlt sich immer aus. Damit verbinden Sie das Beste aus beiden Welten. Aber achten Sie darauf, dass diese wichtigen MultiplikatorInnen mit der Übernahme zusätzlicher Aufgaben nicht überlastet sind und unterstützen sie Sie bei ihrem Engagement.
Beispiele aus der Praxis
Bottom-Up als Chance für die digitale Transformation.
Ein mittelgroßes Unternehmen in der Immobilienverwaltung setzt bei der Einführung von digitalen Anwendungen auf das Bottom-Up-Prinzip: Ziel war, jene einfachen und repetitiven Aufgaben und Tätigkeiten zu identifizieren und zu digitalisieren, die nicht unbedingt die Aufmerksamkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigen. Die Einführung eines Hausverwaltungsprogramms, eines digitalen Dokumentenarchivs und einer App für die Bewohnerinnen und Bewohner der betreuten Objekte haben die Kommunikation mit den Kundinnen und Kunden stark vereinfacht. Seit ihrer Einführung muss weniger Zeit für die Administration von Dokumenten und Unterlagen aufgewendet werden und es steht mehr Zeit für die Kommunikation mit den Kundinnen und Kunden zur Verfügung. Es bleibt damit mehr Zeit für komplexere Aufgabenstellungen. Auch bei Abwesenheit einzelner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können Arbeitsaufgaben leichter von anderen übernommen werden.
Voraussetzung für die gelungene Umsetzung war das Bottom-Up-Prinzip: Eine Box, in die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Probleme und Verbesserungsvorschläge einwerfen können, wurde eingerichtet. Daraus entstehen regelmäßige Jour fixe zu diesen Inputs und Arbeitsgruppen, um die Verbesserungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Einführung und Umsetzung der digitalen Tools geschehen also auf Anreiz jener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die damit arbeiten werden und sich dadurch Verbesserungen versprechen.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anhand ihrer Potenziale und Bedürfnisse an die Digitalisierung heranführen.
Ein mittelgroßes Bauunternehmen setzt in kurzer Zeit verschiedene digitale Tools für die Arbeit auf der Baustelle um. Viele davon ersetzen kleinteilige Dokumentationen direkt auf der Baustelle, wie z. B. eine digitale Arbeitszeitaufzeichnung oder einen digitalen Tagesbericht, und betreffen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Andere Anwendungen betreffen die digitale Planung und digitale Dokumentation des Baufortschritts (BIM) und somit schwerpunktmäßig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Führungspositionen. Aufgrund von Zeitdruck wurden viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kurz von den IT-Spezialistinnen und -Spezialisten des Unternehmens eingeschult. Vor allem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bis dato keine digitalen Technologien anwenden mussten, waren dadurch oft überfordert. Viele IT-Begriffe waren wie Fremdwörter für sie. In manchen Fällen waren auch nicht ausreichend Deutschkenntnisse vorhanden, um die Schulungsinhalte gut erfassen zu können. Darauf konnte nicht ausreichend eingegangen werden. Das Resultat: Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnten die Technologien gar nicht einsetzen oder erkannten ihren Nutzen nicht und waren bei der Nutzung der digitalen Anwendungen auf die Hilfe von (vor allem) jüngeren Kolleginnen und Kollegen angewiesen.
In einem zweiten Anlauf wurde genau auf die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geachtet: Welche Vorkenntnisse gibt es? Ist der Nutzen der neuen Anwendungen ausreichend kommuniziert worden? Welche Vorbehalte gibt es? Jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sowohl den Arbeitsbereich gut kennen als auch die Umsetzung der digitalen Tools begrüßten, wurden gebeten, die Einschulung zu übernehmen. Damit konnte auch vermittelt werden welche Vorteile und welcher Nutzen aus der Anwendung entsteht.
Gezielter Einsatz digitaler Technologien reduziert Stress und Lärm am Arbeitsplatz.
Die Nutzung von digitalen Systemen kann sich auch positiv auf die Arbeitsumgebung auswirken. Manchmal sind es kleine Veränderungen an jahrelang unveränderten Arbeitsweisen, die eine große Wirkung haben. Ein gutes Beispiel sind digitale Küchenmonitore, die das bisherige, papierbasierte Bestellsystem an die Küche ablösen. Mit dem bisherigen System geht oft eine hektische Arbeitsatmosphäre und laute Kommunikation zwischen Servicepersonal und Küche sowie zwischen den einzelnen Küchenstationen einher, vor allem zu Stoßzeiten. Ein kleiner Gasthof mit starkem Mittagsgeschäft stellt den Bestellprozess der Speisen auf eine digitales Bestellsystem mit Monitoren auf jeder Küchenstation um. Die Bestellungen werden, teils auf Arbeitsschritte aufgeteilt, in der richtigen Reihenfolge direkt auf den Monitoren angezeigt. Farbcodes helfen bei der Priorisierung, ein Monitor für die Küchenchefin bzw. den Küchenchef ermöglicht nach wie vor den Gesamtüberblick. Die Konsequenz ist eine deutlich stressreduzierte und ruhigere Arbeitsatmosphäre. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren in die Auswahl des passenden Systems eingebunden. Das hat auch die Umstellung der jahrelang gleichen Arbeitsweisen, vor allem für ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, erleichtert.